Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Andreas Hackethal
Es war ein einmaliges Experiment – und der Erfolg hat uns Wissenschaftler überrascht. Mit Hilfe zweier Banken haben wir deren Kunden Durchblick bei ihrer Rente angeboten. Nachdem sie sich aus dem Online-Banking ausgeloggt hatten, wurde ihnen eine Webseite mit der Bitte gezeigt, sich an einer wissenschaftlichen Studie der Goethe Universität Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Max-Planck Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik und der Deutschen Renten Information e.V. zu beteiligen. Als ersten Schritt haben wir die Interessenten gebeten, einen zehnminütigen Fragebogen zum Thema Altersvorsorge und Finanzentscheidungen auszufüllen.
Die Resonanz war überwältigend: Über 20 000 Menschen haben sich die Fragen angesehen, 14.267 haben ihn komplett ausgefüllt. Dieses riesige Interesse zeigt uns, wie sehr die Menschen über ihre gesamte Rente Bescheid wissen wollen. Denn das war das Angebot, was wir auf der Webseite gemacht haben – einen Überblick über alle Alterseinkünfte zu schaffen, aus allen drei Säulen der Rentenversicherung.
In einem zweiten Schritt haben wir die Nutzer und Nutzerinnen dann gebeten, sich mit ihren persönlichen Daten zu registrieren. Wie erwartet, ist hier eine große Zahl ausgestiegen. Dennoch haben sich mit 7.046 Teilnehmern mehr als ein Drittel dafür entschieden, mit Hilfe unseres Experimentes endlich Durchblick über ihre Rente zu bekommen.
Dann aber begannen die Probleme. Denn nun mussten die Teilnehmer ihre verschiedenen Altersvorsorge-Verträge bei uns einreichen. Dazu konnten sie die Daten entweder manuell eingeben, abfotografieren, als PDF hochladen oder uns per Post zukommen lassen. Das war offensichtlich eine große Hürde. Die meisten der Teilnehmer blieben bei diesem Prozessschritt hängen – sei es, weil sie die Standmitteilungen im Chaos diverser Aktenordner nicht fanden, die Informationen nicht verstanden oder schlicht und einfach keine Lust mehr auf den Wust an Zetteln hatten.
Immerhin 1.061 Menschen haben es dennoch geschafft, die gesammelten Informationen über die gesetzliche, private und betriebliche Rente zusammen zu suchen und uns ihre diesbezüglichen Verträge zur Verfügung zu stellen. Dies war mehr als ausreichend, um daraus statistisch zuverlässige und signifikante Ergebnisse zu generieren. Wir konnten daraus für jeden der Teilnehmer ein so genanntes „Rentencockpit“ mit den zu erwartenden Gesamt-Einkünften im Alter erstellen.
Der Name ist bewusst gewählt: wie im Auto wollten wir eine auf den ersten Blick zu erfassende und möglichst einfache Darstellung erreichen. Statt Jahressummen auszuweisen, haben wir uns analog zu den Gehaltszahlungen auf die monatlich zu erwartenden Einkünfte konzentriert. Sie wurden als garantierte sowie zusätzlich mögliche Summe gezeigt und zudem in Brutto- und Netto-Werte aufgeteilt.
Mit einem zweiten Fragebogen haben wir dann nach dem wahrgenommenen Nutzen des Rentencockpits, Verbesserungsvorschlägen und neu gewonnenen Einsichten für die eigene Altersvorsorge gefragt. Einige der Fragen waren deckungsgleich mit dem ersten Fragebogen. Dadurch können wir nun erstmals die Wirkung eines derartigen Rentencockpits zuverlässig angeben. Sie ist beträchtlich: Sagten uns vorher mit 66 Prozent zwei von drei Befragten, sie könnten ihr Alterseinkommen nicht einschätzen, fühlten sich nun 61 Prozent gut über die Altersvorsorge informiert. 64 Prozent empfinden das Rentencockpit als klar hilfreich.
Diese Werte machen deutlich, wie nützlich ein derartiges Rentencockpit für Durchblick bei der Altersvorsorge wäre. Dies gilt umso mehr, als die Teilnehmer an unserem Experiment überdurchschnittliches Interesse am Thema Altersvorsorge und eher besseres Finanzwissen hatten. 78 Prozent beantworteten im ersten Fragebogen drei grundlegende Fragen zum Finanzwissen richtig. Im Schnitt der Bevölkerung gelingt das nur 53 Prozent. Wir gehen deshalb davon aus, dass ein derartiges Rentencockpit bei einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe noch weit größeren Nutzen stiften würde.
Die Deutsche Renten Information e.V. (DRI) hat deshalb im Mai 2018 mit zehn leistungsstarken Partnern aus Finanzindustrie und Wissenschaft die Arbeit an einem Prototyp für ein derartiges Rentencockpit begonnen. Die DRI ist unabhängig und schafft mit ihrem Prototyp eine offene Plattform für alle privaten und öffentlichen Rententräger. Bis spätestens Ende 2019 sollen Nutzer und Nutzerinnen einfach, datensicher und auf Knopfdruck ihre gesamten Alterseinkünfte einsehen können.
Wie die Studie zeigt, wird dabei entscheidend sein, dass die Vertragsdaten der Teilnehmer weitestgehend automatisiert und elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Um Renten-Infos über alle drei Säulen auf Knopfdruck zu gewährleisten, wird es notwendig sein, dass sowohl die privaten und betrieblichen Versicherungsdienstleister als auch die Deutsche Rentenversicherung Bund kooperieren. Die DRI ist als neutraler und unabhängiger Akteur dazu in Gesprächen mit den jeweiligen Verantwortlichen und freut sich über jede Unterstützung.
Andreas Hackethal ist Dekan des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und Vorstandsvorsitzender der Deutsche Renten Information e.V.